Das Kammergericht Berlin entschied, dass ein Ehevertrag, der den Versorgungsausgleich ausschließt, sittenwidrig und damit unwirksam ist, wenn er unter erheblichem Druck und Ausnutzung einer prekären aufenthaltsrechtlichen Situation zustande kommt. Der Versorgungsausgleich muss gemäß den gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt werden.
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Übersicht
- ✔ Kurz und knapp
- Versorgungsausgleich: Wenn Eheverträge sittenwidrig werden
- ✔ Der Fall vor dem Kammergericht Berlin
- ✔ Die Schlüsselerkenntnis in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Wirksamkeit eines Ehevertrags zum Versorgungsausgleich
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Kammergericht Berlin
✔ Kurz und knapp
- Der notariell beurkundete Ehevertrag, der den kompletten Ausschluss des Versorgungsausgleichs vorsah, ist sittenwidrig und damit unwirksam.
- Zwischen den Eheleuten bestand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein erhebliches wirtschaftliches Gefälle.
- Die Ehefrau, eine belarussische Staatsangehörige, wäre bei einer damaligen Scheidung aus Deutschland ausreisen müssen.
- Damit hatte der Ehemann die Möglichkeit, den Vertrag einseitig gegen den Widerstand der Ehefrau durchzusetzen.
- Die Ehefrau musste den von ihr abgelehnten Vertrag nur aufgrund psychischen Drucks des Ehemanns unterzeichnen.
- Ein einseitiger Rechtsverzicht ohne Kompensation ist bei einem derart ungleichen Kräfteverhältnis sittenwidrig.
- Der Versorgungsausgleich ist daher gemäß den gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen.
- Die Beschwerde des Ehemanns gegen die Anordnung des Versorgungsausgleichs wird zurückgewiesen.
Versorgungsausgleich: Wenn Eheverträge sittenwidrig werden
Die Auflösung einer Ehe ist oft ein schwieriger und emotionaler Prozess. Neben der Trennung selbst müssen dann auch zahlreiche rechtliche und finanzielle Fragen geklärt werden. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist der Versorgungsausgleich. Dabei geht es darum, die während der Ehe erworbenen Rentenansprüche und Versorgungsanwartschaften zwischen den Partnern hälftig aufzuteilen.
Grundsätzlich soll durch den gesetzlich geregelten Versorgungsausgleich verhindert werden, dass einer der Ehegatten durch die Scheidung deutlich schlechter gestellt wird als der andere. Allerdings können die Ehepartner auch eigene Vereinbarungen zur Aufteilung ihrer Altersvorsorge treffen. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass solche ehevertraglichen Absprachen bestimmte rechtliche Vorgaben erfüllen müssen, um wirksam zu sein.
Im Folgenden wird ein konkreter Gerichtsfall betrachtet, in dem es um die Überprüfung der Wirksamkeit einer solchen vertraglichen Vereinbarung zum Versorgungsausgleich ging.
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✔ Der Fall vor dem Kammergericht Berlin
Ehevertragliche Regelungen im Visier des Kammergerichts Berlin
Der Fall: Das Kammergericht Berlin (KG Berlin) hat sich in einem aktuellen Beschluss (Az.: 16 UF 21/23) mit einem Ehevertrag auseinandergesetzt, der wesentliche Regelungen zum Versorgungsausgleich beinhaltete. Im Kern ging es um die Beschwerde eines in Deutschland lebenden Mannes, der ursprünglich aus der südlichen Ukraine stammt. Die Beschwerde richtete sich gegen einen Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts Schöneberg, der den Versorgungsausgleich entgegen dem ursprünglichen Ehevertrag geregelt hatte. Der Ehevertrag wurde 2012 zwischen ihm und seiner Frau, einer aus Belarus stammenden Staatsbürgerin, geschlossen. Das Paar hatte sich über ein russischsprachiges Internetportal kennengelernt und 2010 in Berlin geheiratet. Die strittigen Regelungen des Ehevertrags sahen vor, dass im Falle einer Scheidung kein Versorgungsausgleich stattfinden und stattdessen Gütertrennung gelten solle. Ebenfalls enthielt der Vertrag eine wechselseitige Verzichtserklärung auf nachehelichen Unterhalt, abgesehen von Unterhaltsansprüchen aufgrund der Betreuung gemeinsamer Kinder.
Die rechtliche Problematik: Diese Konstellation warf insbesondere Fragen zur Sittenwidrigkeit des Vertrages auf. Das Amtsgericht urteilte, der Vertrag sei sittenwidrig, da ein erhebliches wirtschaftliches Gefälle zwischen den Parteien bestanden habe und die Frau im Falle einer Scheidung gezwungen gewesen wäre, Deutschland zu verlassen, was ihre Verhandlungsposition erheblich schwächte. Der Ehemann argumentierte hingegen, der Vertrag sei wirksam und sollte daher den Versorgungsausgleich ausschließen. Er betonte, beide Ehepartner hätten bei Vertragsabschluss eine Doppelverdiener-Ehe beabsichtigt, und die Regelungen seien auch deshalb fair, weil die Ehefrau durch den höheren Lebensstandard in Deutschland profitiert habe und Möglichkeiten zur eigenen Altersvorsorge gehabt hätte.
Rechtliche Beurteilung und Entscheidung des Kammergerichts
Die Entscheidung des KG Berlin: Das KG Berlin wies die Beschwerde des Ehemannes zurück und bestätigte die Auffassung des Amtsgerichts. In seiner Urteilsbegründung stellte das Gericht fest, dass der Ehevertrag in der Tat sittenwidrig und somit nichtig sei. Es hob hervor, dass der Ehemann die Ehefrau unter Druck gesetzt und ihre prekäre aufenthaltsrechtliche Situation ausgenutzt habe, um die von ihm gewünschten Regelungen durchzusetzen. Die Ehefrau habe unter diesem Druck schließlich nachgegeben und den Ehevertrag unterzeichnet, obwohl sie dies nicht wollte, wie aus dem Verhalten beim Notartermin und zusätzlichen Aussagen des Notars hervorgehe.
Folgen der Entscheidung: Durch die Nichtigkeit des Ehevertrags wurde der Versorgungsausgleich gemäß den gesetzlichen Bestimmungen vollzogen. Das bedeutet, dass die während der Ehezeit erworbenen Rentenanrechte zwischen den Ehegatten geteilt wurden. Dem Ehemann wurden bestimmte Anrechte seiner Ehefrau zugeschrieben, und umgekehrt erhielt die Ehefrau einen Teil der vom Ehemann erworbenen Anrechte.
Rechtliche Grundlagen und internationaler Kontext
Rechtsgrundlagen: Das Gericht verwies auf die Bindung an gesetzliche Vorgaben, wenn Eheverträge sittenwidrig oder anderweitig rechtlich bedenklich sind. Die Entscheidung basierte auf den Vorschriften des deutschen Familienrechts sowie auf internationalen und europäischen Rechtsnormen, insbesondere im Hinblick auf den Versorgungsausgleich und die Zuständigkeit deutscher Gerichte. Es wurde auch festgestellt, dass der Versorgungsausgleich nach deutschem Recht zu regeln ist, obwohl einer der Beteiligten eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt.
Zuständigkeit und formelle Aspekte
Internationale Zuständigkeit: Das KG Berlin bejahte die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Scheidung und den Versorgungsausgleich, da beide Ehegatten zum Zeitpunkt des Verfahrens ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten. Dies steht im Einklang mit europäischen Verordnungen und der deutschen FamFG, die eine solche Zuständigkeit in Fällen mit Auslandsbezug explizit vorsehen.
Prozessuale Aspekte: Der Ehemann hatte sein Rechtsmittel frist- und formgerecht eingelegt. Die Entscheidung des Gerichts erfolgte nach ausführlicher Prüfung der Sach- und Rechtslage auf Basis des schriftlichen Verfahrens, wobei den Parteien Gelegenheit zum abschließenden Vortrag gegeben wurde.
✔ Die Schlüsselerkenntnis in diesem Fall
Das Kammergericht Berlin hat entschieden, dass ein Ehevertrag, der den Versorgungsausgleich ausschließt, sittenwidrig ist, wenn er aufgrund eines Machtungleichgewichts zwischen den Ehegatten zustande gekommen ist. In diesem Fall nutzte der Ehemann die prekäre aufenthaltsrechtliche Situation seiner Ehefrau aus, um seinen Willen durchzusetzen. Daher ist der Ehevertrag nichtig, und der Versorgungsausgleich findet nach den gesetzlichen Bestimmungen statt. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Eheverträge zwar grundsätzlich zulässig sind, jedoch der Inhaltskontrolle durch die Gerichte unterliegen und im Falle der Sittenwidrigkeit keine Gültigkeit besitzen.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Wirksamkeit eines Ehevertrags zum Versorgungsausgleich
Was ist ein Versorgungsausgleich?
Der Versorgungsausgleich ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Familienrechts. Er dient dazu, bei einer Scheidung die während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf Versorgungsleistungen wie Renten, Pensionen und Betriebsrenten zwischen den Ehepartnern gerecht aufzuteilen.
Die Grundidee ist, dass alle Rentenansprüche, die in der Ehezeit erworben wurden, als gemeinschaftliche Lebensleistung der Ehepartner betrachtet werden. Daher werden sie im Versorgungsausgleich hälftig geteilt, so dass beide Partner nach der Scheidung mit möglichst gleichen Versorgungsanrechten dastehen.
Konkret bedeutet dies: Das Familiengericht ermittelt die Summe aller Rentenanwartschaften beider Partner, die während der Ehe angesammelt wurden. Diese werden dann je zur Hälfte dem jeweils anderen Partner gut geschrieben (interne Teilung). Somit erhält jeder die Hälfte der Anrechte des anderen auf seine Rentenbezüge.
Der Versorgungsausgleich wird vom Familiengericht automatisch durchgeführt, die Ehepartner müssen ihn nicht gesondert beantragen. Er ist verpflichtend, außer die Eheleute haben im Ehevertrag etwas anderes vereinbart.
Durch den Versorgungsausgleich soll verhindert werden, dass ein Ehepartner nach der Scheidung im Alter von Armut bedroht ist, weil er beispielsweise wegen Kinderbetreuung oder Arbeitslosigkeit weniger Rentenansprüche erwerben konnte.
Wie wird die Wirksamkeit eines Ehevertrags beurteilt?
Die Wirksamkeit eines Ehevertrags wird nach deutschem Recht anhand verschiedener Kriterien beurteilt. Diese Kriterien umfassen sowohl objektive als auch subjektive Aspekte, die in der Gesamtwürdigung der ehevertraglichen Regelungen berücksichtigt werden. Die zentralen Punkte der Beurteilung sind die Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB und die Einhaltung der Treu und Glauben gemäß § 242 BGB.
Ein Ehevertrag kann individuell und frei nach den Wünschen der Ehepartner geschlossen werden, muss jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um wirksam zu sein. Grundsätzlich steht es Ehepartnern frei, vor oder während ihrer Ehe einen Ehevertrag zu schließen, wobei neben güterrechtlichen Fragen üblicherweise Aspekte des Unterhalts sowie des Versorgungsausgleichs geregelt werden. Für die Wirksamkeit eines jeden Ehevertrages ist die notarielle Beglaubigung eine zwingende Voraussetzung.
Ein Ehevertrag ist sittenwidrig, wenn er zu einer evident einseitigen und im Einzelfall nicht rechtfertigbaren Lastenverteilung führt, die für den belasteten Ehepartner unzumutbar erscheint. Eine unzumutbare Belastung liegt nicht vor, wenn Risiken ausgeschlossen werden, denen ein Ehegatte bereits vor dem Schluss des Ehevertrags ausgesetzt war, wie eine bereits vorhandene Krankheit oder der Abschluss einer Ausbildung mit geringen Beschäftigungschancen. Ein Ausschluss von Unterhalt wegen Krankheit oder Erwerbslosigkeit wäre demnach unbedenklich.
Eine einseitige Lastenverteilung liegt nach der Rechtsprechung des BGH hingegen dann vor, wenn die Regelungen des Ehevertrags in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreifen. Der schwerwiegendste Eingriff ist gegeben, wenn durch den Ehevertrag der Betreuungsunterhalt, der Unterhalt wegen Alters oder Krankheit sowie der Versorgungsausgleich ausgeschlossen wird, da es sich hierbei um den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts handelt.
Allerdings ist nicht jede Regelung, die einen Eingriff darstellt, per se unwirksam. Vielmehr kann jeder Eingriff gerechtfertigt werden, wobei Regelungen, die in den Kernbereich eingreifen, höheren Anforderungen genügen müssen als Eingriffe auf niedrigeren Stufen. Ein Eingriff in den Kernbereich kann beispielsweise ausgeglichen werden, wenn der Nachteil durch Vorteile anderer Art gemildert wird oder wenn es sich aus der gelebten Ehe ergibt oder gewichtige Belange vorliegen, die für den begünstigten Ehegatten sprechen.
Zusammenfassend wird die Wirksamkeit eines Ehevertrags anhand der Kriterien der Sittenwidrigkeit, der notariellen Beglaubigung und der Fairness in der Lastenverteilung beurteilt. Eingriffe in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts sind besonders kritisch zu betrachten und bedürfen einer sorgfältigen Rechtfertigung, um die Wirksamkeit des Ehevertrags nicht zu gefährden.
Welche Rechte habe ich, wenn ein Ehevertrag für ungültig erklärt wird?
Wenn ein Ehevertrag für ungültig erklärt wird, treten verschiedene rechtliche Folgen ein, die die Position und die Rechte der betroffenen Ehepartner erheblich beeinflussen können. Die Ungültigkeit eines Ehevertrags kann auf verschiedenen Gründen beruhen, wie Sittenwidrigkeit, Formmängel, Täuschung oder Drohung. Hier sind die wesentlichen Aspekte und Rechte, die Sie in einem solchen Fall haben:
1. Rückkehr zu gesetzlichen Regelungen
Wenn ein Ehevertrag für ungültig erklärt wird, gelten automatisch die gesetzlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur Regelung der Scheidungsfolgen. Dies umfasst den Versorgungsausgleich, den Zugewinnausgleich und den nachehelichen Unterhalt.
2. Anspruch auf Versorgungsausgleich
Der Versorgungsausgleich, der die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften gleichmäßig zwischen den Ehegatten aufteilt, wird durchgeführt, wenn der Ehevertrag, der diesen möglicherweise ausgeschlossen hatte, für ungültig erklärt wird.
3. Zugewinnausgleich
Falls der Ehevertrag ungültig ist und keine gültigen Vereinbarungen zum Güterstand getroffen wurden, leben die Ehepartner automatisch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Bei einer Scheidung wird dann der während der Ehe erworbene Zugewinn zwischen den Partnern aufgeteilt.
4. Unterhaltsansprüche
Ehegatten können nach der Ungültigkeitserklärung eines Ehevertrags Unterhaltsansprüche geltend machen, die im Ehevertrag möglicherweise ausgeschlossen oder eingeschränkt wurden. Dies betrifft den Trennungsunterhalt sowie den nachehelichen Unterhalt.
5. Rechtliche Beratung und Vertretung
Es wird empfohlen, sich von einem Fachanwalt für Familienrecht beraten und vertreten zu lassen, um die eigenen Rechte und Ansprüche effektiv durchzusetzen. Ein Anwalt kann auch dabei helfen, die Ungültigkeit des Ehevertrags festzustellen und die entsprechenden rechtlichen Schritte einzuleiten.
6. Gerichtliche Überprüfung und Anfechtung
Die Ungültigkeit eines Ehevertrags muss gerichtlich festgestellt werden. Betroffene Ehepartner können einen Antrag beim Familiengericht stellen, um den Ehevertrag überprüfen und für ungültig erklären zu lassen. Die Gründe für die Anfechtung müssen dabei klar dargelegt werden.
Die Ungültigkeit eines Ehevertrags führt dazu, dass die gesetzlichen Regelungen greifen, die ohne Ehevertrag Anwendung finden würden. Dies kann insbesondere den Versorgungsausgleich, den Zugewinnausgleich und Unterhaltsansprüche betreffen. Es ist ratsam, sich in solchen Fällen rechtlich beraten und vertreten zu lassen, um die eigenen Interessen bestmöglich zu wahren..
In welchen Fällen kann der Versorgungsausgleich ausgeschlossen oder modifiziert werden?
Der Versorgungsausgleich kann in bestimmten Fällen ausgeschlossen oder modifiziert werden. Dies ist insbesondere relevant für Personen, die vor oder während der Ehe entsprechende Vereinbarungen treffen möchten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür sind im Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) sowie in der Rechtsprechung festgelegt.
1. Ausschluss durch Ehevertrag
Ehepartner können durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag den Versorgungsausgleich ganz oder teilweise ausschließen. Dies muss jedoch im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen stehen und darf nicht sittenwidrig sein. Ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann insbesondere dann als sittenwidrig angesehen werden, wenn dadurch ein Ehepartner erheblich benachteiligt wird.
2. Kurze Ehedauer
Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist auch bei einer Ehedauer von weniger als drei Jahren möglich. In solchen Fällen wird angenommen, dass die während der kurzen Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften nicht signifikant genug sind, um eine Aufteilung zu rechtfertigen.
3. Grobe Unbilligkeit
Nach § 27 VersAusglG kann der Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden, wenn seine Durchführung eine grobe Unbilligkeit darstellen würde. Dies ist der Fall, wenn die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs dem gesetzlichen Grundgedanken einer eigenständigen Altersversorgung widerspricht und zu einem unhaltbaren Ergebnis führt. Beispiele hierfür können schwerwiegendes Fehlverhalten eines Ehepartners oder besondere finanzielle Vorleistungen eines Partners sein.
4. Änderung der Lebensumstände
Eine Modifikation des Versorgungsausgleichs kann beantragt werden, wenn sich wesentliche Umstände, die zur ursprünglichen Entscheidung geführt haben, signifikant geändert haben. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Partners erheblich verschlechtern oder verbessern.
5. Besondere Vereinbarungen
Ehepartner können auch spezifische Anpassungen des Versorgungsausgleichs vereinbaren, die bestimmte Lebenssituationen oder individuelle Bedürfnisse berücksichtigen. Solche Vereinbarungen müssen ebenfalls notariell beurkundet werden und dürfen nicht gegen die guten Sitten verstoßen.
Der Ausschluss oder die Modifikation des Versorgungsausgleichs ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich und kann insbesondere durch Eheverträge, bei kurzer Ehedauer oder bei grober Unbilligkeit erfolgen. Es ist wichtig, dass solche Vereinbarungen sorgfältig geprüft und rechtlich abgesichert werden, um spätere Konflikte und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 138 BGB (Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften): Dieser Paragraph ist zentral für den Fall, da das Gericht die Nichtigkeit des Ehevertrags aufgrund seiner Sittenwidrigkeit festgestellt hat. Er besagt, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Hier war ausschlaggebend, dass der Ehevertrag ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Ehepartnern schuf und die Ehefrau in eine besonders nachteilige Lage versetzte.
- Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG), insbesondere §§ 6, 7 und 8: Diese Vorschriften regeln die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei einer Scheidung und die Möglichkeit, durch Eheverträge davon abweichende Regelungen zu treffen. Sie sind relevant, weil das Familiengericht den Ehevertrag für unwirksam erklärte und den Versorgungsausgleich nach gesetzlichen Vorschriften durchführte. Die Paragraphen behandeln die formellen und inhaltlichen Anforderungen an solche Vereinbarungen sowie die Inhalts- und Ausübungskontrolle, um zu überprüfen, ob die Vereinbarungen fair und gerecht sind.
- Artikel 3 Abs. 1 der EU-Güterrechtsverordnung (EuGüVO): Obwohl dieser Artikel im spezifischen Fall nicht angewendet wurde, ist er dennoch erwähnenswert, da er den rechtlichen Rahmen für güterrechtliche Beziehungen innerhalb der EU absteckt. Im vorliegenden Fall wurde klargestellt, dass die EuGüVO nicht für die Übertragung von Ansprüchen auf Renten anwendbar ist, die während der Ehe erworben wurden.
- Brüssel IIa-Verordnung (Brüssel IIb-VO): Diese Verordnung ist für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte in Familiensachen relevant, insbesondere wenn Auslandsbeziehungen bestehen. Im vorliegenden Fall wurde die Zuständigkeit deutscher Gerichte bestätigt, da die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten.
- Art. 17 Abs. 4 EGBGB: Dieser Artikel regelt die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf den Versorgungsausgleich, wenn keine zuständigkeitsbegründende supranationale oder europäische Norm vorliegt. Im Kontext des Falles bedeutet dies, dass das deutsche Recht den Versorgungsausgleich regelt, weil keine andere Rechtsquelle anwendbar war.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Kammergericht Berlin
KG Berlin – Az.: 16 UF 21/23 – Beschluss vom 04.09.2023
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich in dem am 3. Februar 2023 verkündeten Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts Schöneberg – 85 F 191/20 – wird auf dessen Kosten nach einem Beschwerdewert von 3.695,89 € zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller, ein aus M … in der südlichen Ukraine stammender deutscher Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich in dem vom Familiengericht am 3. Februar 2023 verkündeten Scheidungsverbundbeschluss, mit dem die Ehe der Beteiligten auf seinen Antrag geschieden und der Versorgungsausgleich entgegen seinem Antrag, diesen nicht zu regeln, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend durchgeführt wurde.
Zur Begründung dafür, weshalb der Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Bestimmungen zu regeln sei, hat das Familiengericht darauf verwiesen, dass der vom Ehemann und der Antragsgegnerin, der Ehefrau – einer aus M … stammenden, belarussischen Staatsangehörigen, die den Ehemann 2009 über ein russischsprachiges Internetportal kennengelernt und mit ihm nach mehreren, in Osteuropa verbrachten Urlauben im August 2010 in Berlin die Ehe eingegangen ist – am … Januar 2012 (UR-Nr. … /2012 des Notars …, B … ) abgeschlossene Ehevertrag unwirksam sei. Denn der dort vereinbarte kompensationslose Ausschluss des Versorgungsausgleichs, die Vereinbarung von Gütertrennung und die wechselseitigen Erklärungen der Ehegatten, auf die Zahlung von nachehelichem Unterhalt – vom Fall der Unterhaltsbedürftigkeit wegen Kinderbetreuung abgesehen – zu verzichten, seien sittenwidrig und damit nichtig, weil zwischen den vertragschließenden Ehegatten ein ganz erhebliches wirtschaftliches Gefälle bestanden habe und weil die Ehefrau nach den damals, bei Abschluss des Ehevertrages, geltenden ausländerrechtlichen Bestimmungen bei einer Ehescheidung, wenn sie seinerzeit – 2012 – ausgesprochen worden wäre, sich nicht länger im Inland hätte aufhalten dürfen, sondern Deutschland hätte verlassen müssen. Damit habe es der Ehemann aber in der Hand gehabt, seine Vorstellungen vom Ehevertrag einseitig gegen den Widerstand der Ehefrau durchzusetzen, die den Ehevertrag nicht habe unterzeichnen wollen. Deshalb seien die Hälfte der vom Ehemann in der Ehezeit – der Zeit vom 1. August 2010 bis zum 31. August 2020 – erworbenen Versorgungsanrechte, nämlich ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ausgleichswert von 10,2974 Entgeltpunkten bzw. einem korrespondierenden Kapitalwert von 77.668 € und ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung mit einem Kapitalwert von 6.282,74 €, auf die Ehefrau zu übertragen, wohingegen von der Ehefrau die Hälfte des von ihr im gleichen Zeitraum erworbenen Anrechts – ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ausgleichswert von 1,0591 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 7.988,25 € – im Wege der internen Teilung auf das Versorgungskonto des Ehemannes zu übertragen sei.
Hiergegen wendet sich der Ehemann. Er meint, der etwa 1½ Jahre nach Eheschließung am … August 2010 abgeschlossene Ehevertrag sei wirksam mit der Folge, dass ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werden dürfe, sondern jedem Ehegatten die jeweils erworbene, eigene Altersvorsorge uneingeschränkt erhalten bleiben müsse. Eine ungleiche, ungerechtfertigte Lastenverteilung sehe der Ehevertrag nicht vor, weil die Ehefrau bei Abschluss des Ehevertrages fast 28 Jahre alt gewesen sei und er 35 Jahre; beide Ehegatten hätten – auch wenn das im Ehevertrag nicht niedergelegt worden sei – beabsichtigt gehabt, eine Doppelverdienerehe zu führen, bei der die Ehefrau ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschaften sollte. Eine evident einseitige Vertragsausgestaltung läge trotz des umfassenden Rechtsverzichts nicht vor, weil die Ehefrau keine Kinder habe, gesund sei und von einem Lebensstandard in Deutschland profitiere, der wesentlich über denjenigen hinausgehe, den sie sich mit den etwa 100 € monatlich, die sie in M … als Lehrerin an einer renommierten belarussischen Schule verdiente, habe leisten können. Der umfassende Ausschluss von güterrechtlichem Ausgleich, Versorgungsausgleich und weiten Teilen des nachehelichen Unterhalts sei auch deshalb zu billigen, weil er kurz nach Vertragsabschluss eine Eigentumswohnung erworben habe, die von ihm allein finanziert werde und die er auch nach der Ehescheidung im Wert ungeschmälert für sich allein behalten wolle, zumal die Ehefrau während der gesamten Ehezeit dort kostenfrei habe wohnen können und ihr genügend Möglichkeiten blieben, durch eigene Erwerbstätigkeit noch ausreichend für das Alter vorzusorgen.
Die Ehefrau verteidigt die ergangene Entscheidung als zutreffend und richtig. Sie verweist darauf, dass sie für den Ehemann in M … alles aufgegeben habe – ihre Wohnung, ihre Familie und ihre Arbeitsstelle -, um zu ihm in das Inland überzusiedeln und um ihn bei den regelmäßigen Montageeinsätzen für seinen Arbeitgeber in das Ausland zu begleiten, wobei die Einsätze jeweils stets über mehrere Monate, mitunter auch mehrere Jahre, gedauert hätten. Sie sei vom Ehemann völlig abhängig gewesen. An eine eigene berufliche Karriere sei deshalb nicht zu denken gewesen, zumal der Ehemann ihr stets versichert habe, dass das Geld, dass er verdiene, für sie beide reichen würde. Mehr als verschiedene Praktika sowie diverse geringfügige, schlecht entlohnte Beschäftigungen als Floristin oder in einem Nagelstudio seien ihr daher nicht möglich gewesen. Zudem habe der Ehemann ihr gedroht, er würde sie verlassen, wenn sie nicht den von ihm gewünschten Ehevertrag unterschreiben würde. Weiter habe er ihr wiederholt erklärt, dass sie, wenn sie nicht unterschreiben würde und er sie deshalb verließe, aus Deutschland kurzfristig wieder ausreisen müsse und ihr Aufenthaltstitel nicht verlängert werden würde. Dieser habe damals, im Januar 2012 – bei Abschluss des Ehevertrages – lediglich befristet bis zum … August 2013 gegolten. Wenn sie damals nach M … hätte zurückkehren müssen, hätte sie praktisch „auf der Straße gestanden“, weil sie ihre Wohnung und ihre Anstellung für den Ehemann aufgegeben habe. Er habe immer wieder gedroht, dass sie keine andere Wahl habe als zu unterschreiben. Zudem hätten sie sich beide sehnlichst gewünscht, eigene Kinder zu bekommen, weil die Ehen, die sie beide vor der Heirat jeweils bereits geführt hätten, kinderlos geblieben seien: Das „Kinderwunschzentrum“, dass ihnen möglicherweise zu Kindern hätte verhelfen können, würde der Ehemann – so habe er ihr gesagt -, jedoch nur aufsuchen, nachdem sie den Ehevertrag unterzeichnet hätte. Nach etwa anderthalb Jahren habe er sie so unter psychischen Druck gesetzt gehabt, dass sie schließlich „kapituliert“ und den vom Ehemann längst vorbereiteten Vertrag unterzeichnet habe: Im Notartermin habe sie nur geweint. Beim Verlesen der Vertragsurkunde habe sie wiederholt erklärt, ein weiteres Vorlesen und Übersetzen des Ehevertrages sei nicht erforderlich, weil sie gegen den Abschluss des Vertrages sei. Sie unterzeichne nur, weil „ihr Mann wegen dieses Vertrages [ihr] Leben unerträglich gemacht“ habe. Ergänzend verweist sie auf das Schreiben des Urkundsnotars an sie vom … Januar 2012, in dem der Notar geschrieben habe, dass er – der Notar – den Eindruck gehabt habe, dass der Ehevertrag nicht unbedingt ihrem Willen entspräche, er aber die Beurkundung auf ihren ausdrücklichen Wunsch dennoch vorgenommen habe.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 4. August 2023 darauf hingewiesen, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werden soll und ihnen eine Frist zum abschließenden Vortrag gesetzt.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig:
a) Der Ehemann hat sein Rechtsmittel fristgerecht angebracht und ordnungsgemäß begründet (§§ 58, 63 Abs. 1, 64 FamFG).
b) Aufgrund des Umstands, dass die Ehefrau Staatsangehörige von Belarus ist, weist der zu beurteilende Sachverhalt zwar eine Verbindung zu einem ausländischen Staat auf. Das Familiengericht hat dennoch zu Recht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. KG, Beschluss vom 26. Juli 2018 – 3 UF 16/18, IPRspr 2018, 317 Nr. 138 [Rz. 23] sowie Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO [44. Aufl. 2023], Vor § 1 ZPO Rn. 7): Sie ergibt sich, nachdem beide Ehegatten sich bereits seit vielen Jahren für gewöhnlich in B … und damit im Inland aufhalten und das Verfahren schon im August 2020 eingeleitet wurde (Art. 100 Abs. 1 Brüssel IIb-VO), noch aus Art. 3 Abs. 1 lit. a, 1. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO. Die danach für die Scheidung bestehende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte erstreckt sich nach dem Gesetz (§ 98 Abs. 3 FamFG) auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich. Denn insoweit existiert keine zuständigkeitsbegründende supranationale oder europäische Norm, so dass es beim autonomen Verfahrensrecht sein Bewenden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2021 – XII ZB 190/18, FamRZ 2021, 1609 [Rz. 12] sowie Niethammer-Jürgens/Erb-Klünemann, Internationales Familienrecht in der Praxis [3. Aufl. 2022], S. 84f.).
2. In der Sache selbst erweist sich das Rechtsmittel des Ehemannes dagegen als nicht begründet. Denn auch unter Berücksichtigung seines Beschwerdevortrags gibt es gegen die Entscheidung des Familiengerichts in der Folgesache Versorgungsausgleich nichts zu erinnern:
a) Aufgrund der belarussischen Staatsangehörigkeit der Ehefrau liegt ein Sachverhalt mit Auslandsbezug vor (Art. 3 EGBGB). Dennoch richtet sich die streitgegenständliche Regelung des Versorgungsausgleichs nach deutschem materiellen Recht:
(aa) Das ergibt sich allerdings noch nicht aus der EU-Güterrechtsverordnung. Zwar hat der Versorgungsausgleich einen ganz klaren güterrechtlichen Bezug, weil es sich hierbei um ein Ausgleichssystem handelt, bei dem es letztlich ebenfalls um den Ausgleich der vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten aus Anlass der Auflösung einer Ehe geht (Art. 3 Abs. 1 lit. a EuGüVO). Aber die Bestimmungen der EU-Güterrechtsverordnung gelten nur für Ehen, die am 29. Januar 2019 oder später eingegangen wurden – die Beteiligten haben bereits im Jahr 2010 geheiratet – und, bedeutsamer, sie gilt nicht für die Übertragung von Ansprüchen auf Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten, die zwar während der Ehe erworben wurden, aber – wie hier – noch zu keinem ehezeitlichen Renteneinkommen geführt haben (Art. 69 Abs. 3, Art. 1 Abs. 2 lit. f EuGüVO sowie Winter, Internationales Familienrecht bei Fällen mit Auslandsbezug [1. Aufl. 2023], Rn. 328, 330). Daher entscheidet über die Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts nicht supranationales, sondern das autonome Kollisionsrecht.
(bb) Nach dem autonomen internationalen und intertemporalen Kollisionsrecht untersteht der Versorgungsausgleich dem nach der Rom III-VO auf die Scheidung anzuwendenden Recht; das Statut des Versorgungsausgleichs folgt dem Scheidungsstatut (Art. 229 § 28 Abs. 2 EGBGB iVm. Art. 17 Abs. 4 EGBGB; vgl. Winter, a.a.O. Rn. 339; Niethammer-Jürgens/Erb-Klünemann, a.a.O. S. 85): Die Scheidung unterliegt, wie das Familiengericht zutreffend festgestellt hat, dem deutschen Sachrecht. Denn die Ehegatten haben keine Rechtswahl getroffen (Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO) und sie haben im August 2020, bei Anbringung des Scheidungsantrages, beide im Inland gelebt, so dass das deutsche Scheidungsrecht als Recht ihres gewöhnlichen Aufenthalts anwendbar ist (Art. 8 lit. a, 11 Rom III-VO). Die weitere Voraussetzung dafür, dass der Versorgungsausgleich von Amts wegen durchzuführen ist, liegt vor: Am 14. September 2020, bei Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, war der Ehemann deutscher Staatsangehöriger und das deutsche materielle Familienrecht sieht mit dem Versorgungsausgleichsgesetz eine Regelung des Versorgungsausgleichs vor (Art. 17 Abs. 4 Satz 1, 2. HS EGBGB). Damit untersteht der Versorgungsausgleich dem deutschen Recht.
b) Nach dem danach anwendbaren internen deutschen Sachrecht können die Ehegatten jedoch Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich abschließen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG). An die Vereinbarungen der Ehegatten ist das Familiengericht gebunden (§ 6 Abs. 2 VersAusglG), soweit die getroffene Vereinbarung den in § 7 VersAusglG aufgestellten formalen Wirksamkeitsvoraussetzungen entspricht sowie weiter, wenn die Vereinbarung die gesetzlich vorgeschriebene Inhalts- und Ausübungskontrolle nach den §§ 138, 134 BGB bzw. nach § 242 BGB besteht (§ 8 Abs. 1 VersAusglG). Sollte die Vereinbarung diesem „Test“ nicht standhalten und sie entweder in formaler Hinsicht Mängel aufweisen oder inhaltlich unzureichend sein, besteht keine Bindung des Familiengerichts mit der Folge, dass der Versorgungsausgleich von Amts wegen den gesetzlichen Regelungen entsprechend durchzuführen ist. Danach gilt im Einzelnen:
(aa) Das Familiengericht hat in der angefochtenen Entscheidung überzeugend ausgeführt, dass der von den beteiligten Ehegatten am … . Januar 2012 zur Urkunde des Notars …, B …, zu dessen UR-Nr. …/2012 abgeschlossene, notariell beurkundete Ehevertrag den gesetzlichen Anforderungen an die Form der Vereinbarung (Art. 11 Abs. 1 EGBGB, §§ 7 Abs. 3 VersAusglG, 1410 BGB) entspricht. Von den Beteiligten wird hiergegen auch nichts erinnert mit der Folge, dass die Abrede formell wirksam ist (§§ 6, 7 VersAusglG).
(bb) Im Rahmen der materiellen (inhaltlichen) Wirksamkeitskontrolle nach § 8 Abs. 1 VersAusglG ist zu prüfen, ob die Vereinbarung im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derartig einseitigen Lastenverteilung im Scheidungsfall führt, dass sie als sittenwidrig anzusehen und ihr deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB die Anerkennung durch die Rechtsordnung zu versagen ist. Voraussetzung dafür, um zu einem solchen „Sittenwidrigkeitsurteil“ zu gelangen und die Vereinbarung „beiseiteschieben“ zu können, ist eine umfassende Gesamtwürdigung aller Umstände:
Es ist zunächst zu prüfen, ob bzw. ggf. in welchem Umfang durch die Vereinbarung Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts abbedungen werden und, falls das zu bejahen sein sollte, ob derartige Nachteile durch Vorteile an anderer Stelle wieder kompensiert werden (unter (i), (ii), (iii)).
Sodann hat auf der Grundlage der individuellen Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine umfassende Gesamtabwägung zu erfolgen (unter (iv), (v)), die sich in objektiver Hinsicht auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten, auf den beabsichtigten oder bereits verwirklichten Zuschnitt ihrer Ehe, auf die Auswirkungen der Vereinbarung auf sie sowie ggf. auf ihre gemeinsamen Kinder erstrecken muss und bei der zusätzlich – nachdem die Ehefrau nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt – auch die ausländerrechtliche Situation zu berücksichtigen ist. In subjektiver Hinsicht sind im Rahmen dieser Gesamtabwägung die Zwecke zu berücksichtigen, die die Ehegatten mit der Abrede verfolgt haben und die beiderseitigen Gründe, die sie dazu bestimmt haben, die in Rede stehende Vereinbarung abzuschließen (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Februar 2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = FamRZ 2001, 343 [Rz. 31ff.]; BVerfG, Beschluss vom 29. März 2001 – 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 [Rz. 6ff.] sowie Frank, in Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess [7. Aufl. 2021], Kap. 1 Rn. 1850f.; Grüneberg/Siede, BGB [82. Aufl. 2023], § 8 VersAusglG Rn. 4, § 1408 Rn. 8f.). Dies vorausgeschickt, gilt:
(i) Mit dem Ehevertrag vom …. Januar 2012 haben die Beteiligten im Wesentlichen einen sogenannten „Globalverzicht“ hinsichtlich mehr oder weniger sämtlicher gesetzlicher Scheidungsfolgen verabredet (vgl. Schwonberg in Rahm/Künkel, Handbuch des Familien- und Familienverfahrensrechts [2016], Abschnitt I B 17, Rn. 173, 326):
– Der Versorgungsausgleich ist vollständig ausgeschlossen worden (§ 2 des Ehevertrages).
– Der gesetzliche Güterstand wurde zugunsten einer vereinbarten Gütertrennung abbedungen (§ 3 Abs. 1, Satz 1 des Ehevertrages). Zusätzlich haben die Ehegatten vereinbart (§ 3 Abs. 1 Satz 2 des Ehevertrages), dass ein Zugewinn nicht angefallen sei und dass deshalb auch kein gesonderter Zugewinnausgleich aus Anlass des Abschlusses des Ehevertrages (§ 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB) erfolgen soll: Bei der Würdigung dieser Klausel ist zu berücksichtigen, dass die Ehe der Beteiligten bei Abschluss des Ehevertrages am … Januar 2012 grob schon etwa 18 Monate Bestand hatte, weil die Ehe bereits am … August 2010 geschlossen worden war. In diesem Zeitraum muss nach allem, was aus der Akte ersichtlich ist, ein Zugewinn zugunsten der Ehefrau entstanden sein (Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB a.F., §§ 1373, 1378 Abs. 1, 3 Satz 1 BGB): Denn der Ehemann hat, wie sich aus seinem vom gesetzlichen Rentenversicherungsträger übersandten Versicherungsverlauf ergibt, in der Zeit vom 2. Juli 2010 bis zum 21. Januar 2012 mindestens 101.880,66 € brutto verdient. „Mindestens“ deshalb, weil das von ihm verdiente Gehalt teilweise die sogenannte „Beitragsbemessungsgrenze“ in der gesetzlichen Rentenversicherung überstiegen hat; die von ihm an die Rentenversicherung gezahlten Beiträge wurden also nicht aus seinem vollen Gehalt berechnet, sondern waren durch den Betrag der Beitragsbemessungsgrenze, die im Jahr 2010 und im Jahr 2011 in den „alten Bundesländern“ und in „Westberlin“ für die gesetzliche Rentenversicherung jeweils 66.000 € betragen hat, „gedeckelt“. Aus der Akte geht weiter hervor, dass der Ehemann einen nicht näher bekannten Anteil seines Verdienstes angespart hatte, weil er beabsichtigte, eine Immobilie zu erwerben, was dann auch tatsächlich bereits im Juni 2012, etwa ein halbes Jahr nach Abschluss des Ehevertrages, erfolgt ist (Beschwerdebegründung vom 8. Mai 2023, dort S. 7; HA II/31; Schriftsatz vom 7. November 2021, dort S. 4; HA I/116). Da die Ehefrau, wie sich aus ihrem Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt, in der Zeit bis zum 30. September 2012 keine Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit – und, wie sich aus der Akte ergibt, auch nicht aus anderen Einnahmequellen – erzielt hat, spricht alles dafür, dass am 20. Januar 2012 zugunsten der Ehefrau ein Anspruch auf Zugewinnausgleich bestand (§ 1378 Abs. 1 BGB), auf den sie – auch wenn die genaue Höhe nicht bekannt ist – nach § 3 Abs. 1 Satz 2 des Ehevertrages vollständig verzichtet hat, ohne dass der Ehevertrag hierfür einen wie auch immer gearteten Ausgleich vorgesehen hätte.
– Der nacheheliche Unterhaltsanspruch wurde weitestgehend ausgeschlossen (§ 4 Nr. 1, Nr. 2 des Ehevertrages): Grundsätzlich haben die Ehegatten einen vollständigen Verzicht auf jeglichen nachehelichen Unterhalt vereinbart, der lediglich dann nicht gelten sollte, wenn „einer von uns seine Berufstätigkeit wegen eines gemeinsamen Kindes ganz oder teilweise aufgeben muss“; in diesem Fall sollte sich der Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB bestimmen. Weiter sollte der Unterhaltsausschluss auch dann nicht gelten, wenn binnen Jahresfrist Scheidungsantrag gestellt wird (§ 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.).
(ii) Damit haben die Ehegatten im Wesentlichen den Kernbereich des nachehelichen Unterhaltsrechts und den Versorgungsausgleich auf der zweiten Rangstufe abbedungen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2004 – XII ZR 265/02, BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601 [Rz. 35, 38, 41, 42]). Denn der Versorgungsausgleich gilt als vorweggenommener Altersunterhalt und der Unterhalt wegen Alters nach § 1571 BGB rangiert in der „Rangordnung“ des Kernbereichs des Ehegattenunterhaltsrechts an zweiter Stelle (vgl. Frank, in Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess [7. Aufl. 2021], Kap. 1 Rn. 1853; Grüneberg/Siede, BGB [82. Aufl. 2023], § 1408 Rn. 10). Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich müssen deshalb nach denselben, strengen Kriterien geprüft werden wie ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2004, a.a.O. [Rz. 38, 42]).
(iii) Eine – wie auch immer geartete – Kompensation für diese, von der Ehefrau dem Ehevertrag zufolge hingenommenen Rechtsnachteile ist nicht erfolgt; der Ehevertrag sieht hierzu nichts vor. Der Einwand des Ehemannes, die Ehefrau habe mit dem Abschluss des Ehevertrages den Vorteil erlangt, dass er weiter mit ihr verheiratet geblieben ist und dass er ihr kostenfrei Unterkunft in der von ihm erworbenen Eigentumswohnung gewährt habe, verfängt ganz offensichtlich nicht: Die Fortsetzung der Ehe scheidet von vornherein als korrespondierender Vorteil zum Abschluss des Ehevertrages aus, weil die Fortsetzung der Ehe für beide Ehegatten mit Rechten, aber auch mit Pflichten verbunden ist (vgl. nur Grüneberg/Siede, BGB [82. Aufl. 2023], § 1408 Rn. 9). Der Hinweis auf eine kostenfreie Wohnraumgewährung geht fehl, weil der Ehemann hierzu bereits von Gesetzes wegen, im Rahmen der ihm obliegenden Pflicht, Familienunterhalt leisten zu müssen, gehalten war (Art. 3 Abs. 1 HUP, §§ 1360, 1360a BGB). Denn während der Ehe war fast ausschließlich er erwerbstätig; die gelegentliche Erwerbstätigkeit der Ehefrau fällt nicht nennenswert ins Gewicht.
(iv) Die nunmehr vorzunehmende Gesamtwürdigung auf objektiver Ebene ergibt bei der Zusammenschau aller maßgeblichen Umstände klar und deutlich, dass die von den Ehegatten am …. Januar 2012 notariell beurkundete Vereinbarung schon im Zeitpunkt des Zustandekommens – von Anfang an – objektiv auf eine einseitige Benachteiligung der Ehefrau ausgerichtet war (vgl. Grüneberg/Siede, BGB [82. Aufl. 2023], § 1408 Rn. 9; Frank, in Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess (7. Aufl. 2021), Kap. 1 Rn. 1850):
– Zwischen den Ehegatten bestand ein ganz klares, eindeutiges Gefälle in wirtschaftlicher Hinsicht: Im Jahr 2012, dem Jahr, in dem der Ehevertrag abgeschlossen wurde, verdiente der Ehemann ausweislich seines Versicherungsverlaufs mindestens 67.573,33 € brutto. „Mindestens“ auch hier, weil im Versicherungsverlauf ausdrücklich vermerkt ist, dass das vom Ehemann erzielte Entgelt nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze, die im Jahr 2012 67.200 € betragen hat, berücksichtigt wurde. Die Ehefrau hat im gesamten Jahr 2012 lediglich einmal 1.200 € brutto erwirtschaftet. Wie hoch das wirtschaftliche Gefälle zwischen beiden Ehegatten tatsächlich war, lässt sich ermessen, wenn berücksichtigt wird, dass der Ehemann noch im gleichen Jahr unter Einsatz seines Vermögens eine (kreditfinanzierte) Eigentumswohnung erwerben konnte.
– Von einer „Doppelverdienerehe“, die dem Vortrag des Ehemannes zufolge vorgelegen haben soll bzw. die angestrebt gewesen sein soll, kann keine Rede sein. Im Ehevertrag, etwa in den einleitenden Vorbemerkungen, finden sich dazu denn auch keinerlei Hinweise. Tatsächlich wäre eine derartige Vorstellung völlig illusorisch und widerspräche den offen zu Tagen tretenden Tatsachen: Denn bei Abschluss des Ehevertrages verfügte die Ehefrau über keine feste Arbeitsstelle. Sie beherrschte noch nicht einmal die deutsche Sprache ausreichend, was daran ersichtlich ist, dass bei der Beurkundung des Ehevertrages ausweislich des Vertragsrubrums eine Dolmetscherin hinzugezogen werden musste. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war auch nichts dafür ersichtlich, dass an dieser Situation – entgegen der Behauptung des Ehemannes in der Beschwerdebegründung vom 8. Mai 2023 (dort S. 4; HA II/28) oder im Schriftsatz vom 11. August 2023 (dort S. 2; HA II/69), die Ehegatten hätten erwartet, dass die Ehefrau eine Tätigkeit finden wird, die sie in die Lage versetzt hätte, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen – sich irgendwann einmal etwas hätte ändern könnte: Die Aufnahme einer regulären Erwerbstätigkeit war der Ehefrau praktisch nicht möglich, weil der Ehemann erwartet hat, dass sie ihn auf seinen regelmäßigen, mehrmonatigen bzw. bisweilen sogar über ein Jahr hinweg andauernden Montageeinsätzen in ganz Europa begleitet. Damit wurde ihr zugleich im weiten Umfang die Möglichkeit genommen, die erforderlichen Sprachkurse zu besuchen, um im Inland eine ihrer Qualifikation angemessene Berufstätigkeit ausüben zu können. Entsprechendes gilt für die Kurse oder Fortbildungen, um sie in die Lage zu versetzen, dass ihre belarussische Ausbildung im Inland anerkannt werden kann, damit sie eventuell ihren erlernten Beruf als Lehrerin auch im Inland ausüben konnte (Schriftsatz des Ehemannes vom 7. November 2021, dort S. 5; HA I/117): Auch das blieb der Ehefrau versagt, weil sie ihren Ehemann regelmäßig auf dessen Montageeinsätzen begleitete. Die berufliche Karriere, die der Ehefrau aufgrund ihres akademischen Abschlusses in Deutschland – dem Vortrag des Ehemannes zufolge (Schriftsatz vom 11. November 2022, dort S. 2; HA I/157) – angeblich offenstehen sollte, war ihr von daher objektiv und von vornherein klar ersichtlich verschlossen. Hinzukam, dass bei Abschluss des Ehevertrages beide Ehegatten sich sehnlichst Kinder gewünscht haben: Das ergibt sich aus der eindringlichen persönlichen Schilderung der Ehefrau (eingefügt in ihren Schriftsatz vom 23. Februar 2021, dort S. 5; HA I/75), der der Ehemann nicht widersprochen hat (§ 138 Abs. 3 ZPO): In diesem Fall, wenn aus der Ehe der Beteiligten tatsächlich gemeinsame Kinder hervorgegangen wären, wäre das Führen einer „Doppelverdienerehe“ endgültig objektiv unmöglich gewesen. Denn der Ehemann war im Montageeinsatz in wechselnden Einsatzstellen im Ausland tätig und es ist nicht ersichtlich, wer außer der Ehefrau eventuelle Kinder hätte betreuen und versorgen sollen. Das dürfte denn auch mit ein Grund dafür gewesen sein, dass die Ehegatten von dem vereinbarten Unterhaltsverzicht abgesehen haben, falls eine Unterhaltsbedürftigkeit aus der Notwendigkeit einer Kinderbetreuung hergerührt hätte (§ 4 Ziff. 2a des Ehevertrages). Im Ergebnis sprechen alle im Zeitpunkt des Ehevertragsabschlusses vorliegenden Indizien und Hinweise ganz klar für das Vorliegen einer „Alleinverdienerehe“, bestenfalls für das Modell einer „Hinzuverdienerehe“. Bis zur Scheidung der Ehe hat sich hieran im Übrigen auch nichts geändert. Denn im Jahr 2020, bei Ehezeitende, hat der Ehemann im Zeitraum von Januar 2020 bis Ende August 2020 55.200 € brutto verdient, wohingegen die Ehefrau ausweislich ihres Versicherungsverlaufs überhaupt keine sozialversicherungspflichtigen Einkünfte erzielt hat.
– Da die Ehefrau keine deutsche Staatsangehörige ist, hätte sie, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages geschieden worden wäre, über keinerlei Aufenthaltstitel mehr verfügt. Das Familiengericht verweist insoweit völlig zu Recht und zutreffend auf § 31 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes in der seinerzeit, bis September 2013 geltenden Fassung: Da die Ehe im Januar 2012 noch keine drei Jahre bestand, wäre die Aufenthaltserlaubnis der Ehefrau im Scheidungsfall bestenfalls um ein Jahr verlängert worden (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG a.F.). In der Zusammenschau mit dem enormen Gefälle in wirtschaftlicher Hinsicht liegt es auf der Hand, dass die Ehefrau vom Ehemann in jeglicher Hinsicht völlig abhängig war – dies unabhängig von (bzw. zusätzlich zu) dem Umstand, dass sie in Weißrussland alles aufgegeben hat, um nach Deutschland zum Ehemann kommen zu können. Bei dieser Sachlage hält aber der Ehevertrag einer Wirksamkeitskontrolle anhand von § 138 Abs. 1 BGB nicht stand (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2006 – XII ZB 250/03, FamRZ 2006, 1097 [Rz. 13, 14f.]).
– Aus der vorgelegten Notarurkunde geht nicht hervor, dass der Ehefrau der Vertragstext (ggf. nebst der erforderlichen Übersetzung in die russische Sprache) vor der Unterzeichnung im Beurkundungstermin vorab ausgehändigt worden wäre, so dass sie den Ehevertrag in Ruhe hätte prüfen können. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass sie die Möglichkeit gehabt hätte, sich vor der Unterschriftsleistung unabhängigen Rechtsrat zu verschaffen und sie über ihre Rechte aufgeklärt gewesen wäre und gewusst hätte, auf was sie verzichtet bzw. wie dieser Verzicht „einzuordnen“ ist. Schließlich ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Ehefrau die Bedeutung und die Reichweite eines – international in dieser Form kaum verbreiteten – Rechtsinstituts wie des Versorgungsausgleichs erläutert worden wäre: Der kurze Hinweis durch den Notar im Beurkundungstermin (§ 2 Abs. 2 des Ehevertrages) reicht hierfür nicht aus, zumal die Ehefrau praktisch den gesamten Beurkundungstermin hindurch nur geweint hat und sich offensichtlich in einer psychischen Ausnahmesituation befand (persönliche Schilderung der Ehefrau, eingefügt in ihren Schriftsatz vom 23. Februar 2021, dort S. 5; HA I/75).
– Von einem wirklich freien Willensentschluss der Ehefrau, den Ehevertrag abzuschließen, kann objektiv – auch wenn das „Niveau“ einer widerrechtlichen Drohung nach § 123 Abs. 1, 2. Alt. BGB noch nicht erreicht gewesen sein dürfte – keine Rede sein: Das ergibt sich aus der persönlichen Schilderung der Ehefrau über den Verlauf des Notartermins vom … Januar 2012, bei dem sie sich – ihrer Erklärung zufolge – gefühlt hat, „als ob ich eine Sklavin bin und muss machen, was sagt ‚der Besitzer‘“ (persönliche Schilderung der Ehefrau, eingefügt in ihren Schriftsatz vom 23. Februar 2021, dort S. 5; HA I/75). Bestätigt wird das durch das Schreiben des beurkundenden Notars an die Ehefrau vom …. Januar 2012 – drei Tage nach der Beurkundung -, in dem er freimütig einräumt, selbst den Eindruck gehabt zu haben, dass „der Vertrag nicht unbedingt [dem] Willen [der Ehefrau] entsprechen könnte“.
– Die Argumentation des Ehemannes, wonach sowohl er als auch die Ehefrau „sowjetisch sozialisiert und erzogen“ seien und deshalb beide von der Erwartung einer beidseitigen Vollzeitberufstätigkeit durchdrungen gewesen seien (Schriftsatz vom 7. November 2021, dort S. 4; HA I/116; Beschwerdebegründung vom 8. Mai 2023, dort S. 2; HA II/26), entbehrt daher jeglichem Realitätsbezug: Von einer Beziehung auf „Augenhöhe“, von einer gleichberechtigten Partnerschaft aufgrund beiderseitiger, wirtschaftlicher Unabhängigkeit, und einem auf einer freien Willensbetätigung beruhenden Vertragsabschluss kann keine Rede sein.
(v) Bei Berücksichtigung auch der subjektiven Seite, nämlich der Zwecke, die der Ehemann mit der Abrede verfolgt hat, ist klar, dass die Vereinbarung gegen die guten Sitten verstößt:
– Der Ehemann hat erklärt, mit dem Vertragsabschluss habe er das Ziel verfolgt, sich mit seinen Ersparnissen eine Eigentumswohnung finanzieren zu wollen, ohne befürchten zu müssen, dass diese im Fall einer Ehescheidung „in den Zugewinn“ fällt: Dazu ist zu bemerken, dass die Finanzierung für eine Eigentumswohnung sicher auch ohne Ehevertrag zu bekommen ist. Um zu verhindern, dass ein vor Eingehung der Ehe vorhandenes Vermögen „in den Zugewinn fällt“, hätte es ausgereicht, wenn die Ehegatten gemeinsam ein Verzeichnis ihres jeweiligen Anfangsvermögens erstellt hätten (Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB a.F., § 1377 BGB). Auf keinen Fall war es zur Erreichung dieses Ziels erforderlich, fast sämtliche nachehelichen Unterhaltsansprüche der Ehefrau auszuschließen und den Versorgungsausgleich vollständig abzubedingen: Denn im Rahmen des Versorgungsausgleichs wird niemals auf das während der Ehe angesammelte Vermögen eines Ehegatten zugegriffen, sondern „lediglich“ auf die durch eigene Arbeit oder Vermögen geschaffenen Versorgungsanrechte zur Absicherung des Alters bzw. der Invalidität (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 VersAusglG).
– Der Ehemann trägt vor, die Ehefrau sei entschlossen gewesen, die Beziehung zu ihm nur in Deutschland fortzuführen, weil sie in Belarus keine Perspektive mehr für sich gesehen habe und für sich den höheren deutschen Lebensstandard angestrebt habe (Beschwerdebegründung vom 8. Mai 2023, dort S. 3; HA II/27): Unterstellt, dass das zutreffend sein sollte, würde das den Ehemann dennoch nicht dazu berechtigen, die Ehefrau zum Abschluss eines einseitig benachteiligenden Ehevertrages zu drängen, der im praktischen Ergebnis dazu führt, dass sie auf den gebotenen Ausgleich für die von ihr getragenen ehebedingten Nachteile – u.a. der Verzicht auf eine eigene berufliche Karriere, um den Ehemann auf dessen Montageeinsätzen zu begleiten – vollständig verzichtet (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2013 – XII ZB 90/11, FamRZ 2013, 770 [Rz. 22 – für eine Anpassung im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB]).
(vi) Im Ergebnis ist klar, dass der Ehevertrag bereits bei Abschluss, im Januar 2012, objektiv zu einer grob einseitigen Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau geführt hat, bei der praktisch sämtliche gesetzlichen Scheidungsfolgen – mit Ausnahme des nachehelichen Betreuungsunterhalts, falls aus der Ehe betreuungsbedürftige Kinder hervorgegangen wären, was nicht der Fall ist – abbedungen wurden. Die Vertragsparität war eindeutig zu Lasten der Ehefrau verschoben: Denn sie stammte aus dem Ausland und hatte bei Vertragsabschluss im Inland weder „Fuß gefasst“ noch verfügte sie über eine wie auch immer geartete, eigenständige wirtschaftliche Absicherung. Sie beherrschte die Sprache nicht und es lagen keinerlei Anzeichen für eine alsbaldige Änderung dieser Situation vor. In wirtschaftlicher Hinsicht war die Ehefrau völlig vom Ehemann abhängig. Im Zeitpunkt des Ehevertragsabschlusses verfügte sie auch nicht über ein eigenständiges Aufenthaltsrecht im Inland, sondern wäre im Scheidungsfall gezwungen gewesen, Deutschland nach Ablauf bestimmter Fristen zu verlassen.
(vii) Diese in jeder Hinsicht ungleiche Verhandlungssituation hat der Ehemann ausgenutzt: Er wusste über den „fragilen“ ausländerrechtlichen Status der Ehefrau und hat ihn – wie die Ehefrau unwidersprochen vorgetragen hat – ihr immer wieder vor Augen geführt bzw. damit gedroht, sie „müsse aus Deutschland ‘raus, wenn sie nicht unterschreibe“ (persönliche Schilderung der Ehefrau, eingefügt in den Schriftsatz vom 23. Februar 2021, dort S. 3; HA I/73). Er wusste um ihre hilflose Lage in wirtschaftlicher Hinsicht. Er wusste, dass die Ehefrau den Ehevertrag gerade nicht abschließen wollte und hat sie dennoch über einen längeren Zeitraum hinweg regelrecht „weichgeklopft“. Das ist sittenwidrig, weil der Ehemann damit u.a. die Zwangslage der Ehefrau ausgenutzt hat (§ 138 Abs. 2 BGB). Sittenwidrig ist das aber auch deshalb, weil zwischen den Ehegatten ein deutliches Einkommensgefälle bestand, die Ehefrau in keiner Weise wirtschaftlich abgesichert war und für sie auch keine realistische Aussicht bestand, in absehbarer Zeit in ihrem erlernten Beruf als Lehrerin im Inland erwerbstätig werden zu können. Da sie auch über keine anderweitige Altersabsicherung verfügte, ist die grob einseitige, kompensationslose Lastenverteilung zu ihren Ungunsten mit dem Gebot der ehelichen Solidarität schlechterdings unvereinbar (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2006 – XII ZB 250/03, FamRZ 2006, 1097 [Rz. 13ff.]; KG, Beschluss vom 16. Januar 2017 – 25 UF 30/16, FamRZ 2017, 791 [LS 1 bei juris]).
(viii) Entgegen der Auffassung des Ehemannes ändert die im Ehevertrag enthaltene salvatorische Klausel (§ 5 Nr. 5 des Ehevertrages) an diesem Ergebnis nichts. Denn wenn sich wie hier die Sittenwidrigkeit der getroffenen Abreden bereits aus der Gesamtwürdigung eines Vertrags ergibt, dessen Inhalt für eine Seite – die Ehefrau – ausnahmslos nachteilig ist und dessen Einzelregelungen durch keine berechtigten Belange der anderen Seite gerechtfertigt werden, so erfasst die Nichtigkeitsfolge notwendig den gesamten Vertrag (vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. Mai 2006 – XII ZB 250/03, FamRZ 2006, 1097 [Rz. 15]).
(cc) Damit steht aber fest, dass der Ehevertrag vom … Januar 2012 der Inhaltskontrolle nicht standhält (§ 8 Abs. 1 VersAusglG). Das hat zur Folge, dass das Familiengericht an den Ehevertrag nicht gebunden ist (§ 6 Abs. 2 VersAusglG) mit der weiteren Folge, dass der Versorgungsausgleich den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend durchzuführen ist.
(dd) Gegen die konkrete Durchführung des Versorgungsausgleichs entsprechend den §§ 11ff, 14ff. VersAusglG hat kein Beteiligter Bedenken erhoben; derartige Bedenken sind nach Prüfung auch nicht ersichtlich geworden (§ 26 FamFG). Damit ist die Beschwerde des Ehemannes zurückzuweisen.
3. Der Ankündigung entsprechend war im schriftlichen Verfahren zu entscheiden (§ 68 Abs. 3 FamFG). Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG: Nachdem sich das Rechtsmittel des Ehemannes als erfolglos erweist, hat er die hierdurch verursachten Kosten zu tragen. Die Festsetzung des Beschwerdewertes findet seine gesetzliche Grundlage in §§ 50 Abs. 1, 40 FamGKG und folgt dem familiengerichtlichen Beschluss vom 8. Februar 2023. Hinzuweisen ist darauf, dass es sich bei dieser Summe nicht um den vom Ehemann zu zahlenden Betrag handelt, sondern dass dies lediglich die „Maßgröße“ ist, mit deren Hilfe die letztendlich zu entrichtenden Kosten ermittelt werden. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass (§ 70 FamFG).